Malerei oder Film? Audiovisuelle Verfahren zur Rekonstruktion der Biografie der jüdischen Künstlerin Charlotte Salomon

Südfrankreich 1940. Eine junge Frau sitzt am Meer, sie malt. Leise singt sie vor sich hin. Sie malt, schreibt und singt wie besessen und schafft im Exil innerhalb von zwei Jahren ihr Lebenswerk: das Singspiel "LEBEN? ODER THEATER?" Stefanie Trambow erforscht audiovisuelle Methoden zur Rekonstruktion der Biografie der jüdischen Künstlerin Charlotte Salomon als Bühnenwerk.

Projektbeginn:
2017
Projektabschluss:
2018
 (öffnet Vergrößerung des Bildes)

In nahezu 800 Gouachen „erzählt“ Charlotte Salomon (1917- 1943) ihre Lebensgeschichte und die Geschichte ihrer Familie in fiktionalisierter Form. Dabei verwebt die Künstlerin Geschichte, Traumata und Phantasie sowie Malerei, Texte und Musik zu einem vielschichtigen, intertextuellen und hybriden Werk. Hierin dokumentiert sie das gesellschaftliche und politische Leben Berlins der 20er und 30er Jahre und lässt teilhaben am Heranwachsen eines jüdischen Mädchens mit allen Höhen und Tiefen: der Tod der Mutter, die hingebungsvolle Liebe zur Stiefmutter - einer berühmten Sängerin. Genauso finden die prägenden und verstörenden Begegnungen mit dem Gesangslehrer der Stiefmutter eine künstlerische Form sowie die zunehmende Einengung des Lebens bis hin zur Verfolgung durch die Nazis. Das Werk ist in vielerlei Hinsicht einmaliges Artefakt und in seiner Bedeutung und Widersprüchlichkeit noch immer nicht ausreichend anerkannt und erforscht.

Stefanie Trambow untersuchte im Team mit anderen ihr hinterlassenes Werk und experimentierte im Kontext künstlerischer Forschung mit Methoden, um ihre Biografie und den Kontext ihrer Zeit zu rekonstruieren und erfahrbar zu machen: Wie lassen sich ihre bewegenden Bilder in Bewegtbilder übersetzen, wie kontextualisiert man sie für ein junges Publikum, welche Rolle spielt die Montage bei der Rekonstruktion ihrer Biografie, wie greifen Techniken der Bühnendramaturgie und Montage ineinander? Wie montiert man die verschiedenen Artefakte aus Zeichnung, Malerei, Fotografie, Liedtext und zeithistorischen Dokumenten zu einem narrativen Ganzen? Wo liegen die Grenzen von Dokumentation und Fiktion? Was ist daran Film, welche Rolle spielt er im dokumentarischen Prozess und mit welchen Mitteln und zu welchem Zweck inszeniert man ihn für ein Bühnenwerk?

Im Medium einer vielflächigen Videoprojektion und -installation suchte Stefanie Trambow nach künstlerischen Methoden, die der Biografie, dem Werk und dem zeithistorischen Kontext der Charlotte Salomon noch heute gerecht werden und als audiovisuelles Bühnenwerk erfahrbar machen. Die Tonebene entstand dank der Kooperation mit dem Mädchenchor der Sing-Akademie zu Berlin. Anlässlich des 100. Geburtstages der Künstlerin entwickelte der Chor ein Singspiel auf der Grundlage von Charlotte Salomons "LEBEN? ODER THEATER", das Ende November 2017 im jüdischen Museum aufgeführt wurde. Dort wurde auch ein erster Versuch der Arbeit von Stefanie Trambow präsentiert. Ein weiterer Ansatz entstand Ende November 2017 für die 3. Biennale des bewegten Bildes in Frankfurt (Main).

Jüdisches Museum Frankfurt am Main, Veranstaltunghttps://www.jmberlin.de/leben-oder-theater

Projektleitung: Stefanie Trambow

Webseite: Stefanie Trambow