Raus aus dem Malestream

Das DFG-Projekt „Geschichte des dokumentarischen Films in Deutschland 1945-2005“ lud zum Abschluss-Symposium vom 26. – 28. September an der Filmuniversität - eine Dokumentation. Am Ende der Seite können Sie jeden Beitrag als Audiodatei anhören.

„Im Prinzip haben wir nichts gegen Mädchen“ – so der Titel eines Dokumentarfilms von Riki Kalbe von 1976 über die Schwierigkeiten von weiblichen Jugendlichen, ihren Wunschberuf zu erlernen. Was haben der Dokumentarfilm und die soziale Kategorie Geschlecht miteinander zu tun?
Die Dokumentarfilmgeschichte ist wie die Spielfilmgeschichte von Männern dominiert, was die Rollen hinter der Kamera betrifft. Dies gilt auch für ihre Geschichtsschreibung. Frauen haben immer unter widrigen Bedingungen Filme gemacht, wurden seltener beachtet, waren seltener in so genannten Schlüsselpositionen tätig. Unser von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördertes Forschungsprojekt „Geschichte des dokumentarischen Films in Deutschland 1945-2005“ versucht mit den Methoden der New Film History diese strukturelle Ungerechtigkeit ein Stück weit zu beseitigen. Vergessene Filme von Frauen aufzuspüren, anzusehen, zu analysieren und sie durch unsere Forschungsarbeit bekannt zu machen, sie wieder auf die Leinwände zu bringen betrachten wir als elementare Aufgabe. Es sind kleine Schritte, aber jeder Film, der noch überliefert ist, hilft, Filmgeschichte als FilmHerstory sichtbar zu machen. 

Doch nicht alles, worüber das Symposium handeln soll, ist Geschichte: Im Jahr 2017 haben wir es immer noch mit ernüchternden Zahlen zu tun. Laut der Studie „Gender und Film“, die die Filmförderungsanstalt (FFA) im Februar 2017 vorgelegt hat, werden deutlich mehr Frauen an Filmhochschulen ausgebildet als später im Beruf arbeiten. In nahezu allen filmischen Gewerken, außer im so offensichtlich frauenaffinen Bereich Kostüm sind sie unterrepräsentiert. Frauen haben seltener wichtige Positionen in der Filmbranche inne und dieses System wird gestützt durch prekäre und familien- und care-arbeits-unfreundliche Arbeitsbedingungen. Die Frage, ob die Tatsache eine Frau zu sein und als Frau Dokumentarfilme zu machen, nicht nur individuell, sondern auch gesellschaftspolitisch relevant ist, kann also eindeutig mit „ja“ beantwortet werden. 

Unser Symposium möchte diese allgemein bekannten Strukturen hinterfragen und sie mit Filmhistorikerinnen, Filmvermittlerinnen und Filmemacherinnen sowohl in historischer als auch aus aktueller Perspektive diskutieren: Welche filmhistorisch spannenden dokumentarischen Werke von Frauen gibt es? Werden diese Vorbilder an Filmhochschulen und Universitäten gelehrt? Was kann Filmgeschichtsschreibung tun, um die Werke von Frauen einer größeren Aufmerksamkeit zuzuführen? Wie ist es um die Diversity in der Filmkultur bestellt? Werden Studierende ausreichend für Gender-Themen sensibilisiert? Wie sahen früher und sehen heute ökonomische Bedingungen des Dokumentarfilmschaffens aus? All diese und noch weitere Fragen sollen auf dem Symposium diskutiert werden, das auch der Stärkung weiblicher Filmarbeit dienen soll. Darüber hinaus verstehen wir das Symposium als Netzwerkveranstaltung für Frauen* aus der Dokumentarfilmszene sein, als einen Ort zu kennenlernen und sich gegenseitig zu unterstützen.

Konzept und Idee: Inga Selck, Prof. Dr. Ursula von Keitz

Organisation: Inga Selck, Stella Dehne

Team vor Ort: Laura Reboredo Raposo, Ilaria Pompei, Esther Riese

Fotos: Aleksandra Miljkovic

Förderung: Das Symposium "Raus aus dem Malestream - Feministische Perspektiven im dokumentarischen Filmemachen" wurde ermöglicht durch die großzügige Förderung der Stiftung Kulturwerk der VG Bildkunst, der DFG - Deutsche Forschungsgemeinschaft und der Gleichstellungsbeauftragten der Filmuniversität Babelsberg.

Programm

Mi, 26. September 2018

16:30    Anmeldung

17:00     Begrüßung 

  •  Inga Selck, DFG-Projekt „Geschichte des dokumentarischen Films in Deutschland 1945-2005“, Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF

17:15     Dokumentarfilm-Pionierinnen: Einführung mit Filmclips

  • Prof. Dr. Ursula von Keitz, Filmmuseum Potsdam, Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF
  • Am Flügel: Eunice Martins

19:00      Get Together im Foyer der Filmuniversität

 

Donnerstag, 27. September 2018

10:00    Anmeldung 

11:00    Programmvorstellung

  • Inga Selck, DFG-Projekt „Geschichte des dokumentarischen Films in Deutschland 1945-2005“, Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF

11:15    Grußworte

  • Prof. Dr. Susanne Stürmer, Präsidentin Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF
  • Fee Altmann, stv. Gleichstellungsbeauftragte Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF

11:45    Schlaglichter weiblicher Lebenswelten in der deutschen Dokumentarfilmgeschichte nach 1945 

  • Inga Selck, DFG-Projekt „Geschichte des dokumentarischen Films in Deutschland 1945-2005“, Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF

12:30     Mittagspause

13:30     "Alltag und Exotik" - ICH DENKE OFT AN HAWAII (Elfi Mikesch, BRD 1978)

  • Prof. Dr. Heike Klippel, HBK Hochschule für Bildende Künste Braunschweig

14:15     Zwei Frauen auf Expedition nach Afrika und Asien - Gulla Pfeffer und Lola Kreutzberg 

  • Gerlinde Waz, Filmwissenschaftlerin und Kuratorin Deutsche Kinemathek, Museum für Film und Fernsehen

15:00     Kaffeepause

15:30     Vorläufig eine Ausnahme – Frauen in der westdeutschen Dokumentarfilmproduktion der 1950er Jahre

  • Jeanpaul Goergen, Filmhistoriker

16:15    Frauen in einer Männerwelt - die DDR-Amateurfilmerinnen Ingeborg Tölke und Liselotte Schließer    

  • Dr. Ralf Forster, Filmhistoriker und stellvertretender Sammlungsleiter am Filmmuseum Potsdam

17:00     Panel: Filmgeschichte als Filmherstory – Strategien der Sichtbarmachung weiblichen Filmschaffens

Gäste:

  • Prof. Dr. Heike Klippel, HBK Hochschule für Bildende Künste Braunschweig
  • Johanne Hoppe, Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF/ Filmmuseum Potsdam
  • Silke J. Räbiger, Internationales FrauenFilmFestival Dortmund|Köln 
  • Moderation: Anna Luise Kiss, Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF

 

Freitag, 28. September 2018

10:00    Spielraum Schneideraum. Revision einer Filmographie

  • Prof. Gesa Marten, Film-Editorin und Gast-Professorin am Institut für Künstlerische Forschung, Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF

10:45     Werkstattgespräch GIRLS DON’T FLY (A/D 2016) 
 
Gast: 

  • Monika Grassl, Filmemacherin 

Moderation: 

  • Stella Dehne, DFG-Projekt „Geschichte des dokumentarischen Films in Deutschland 1945-2005“, Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF

11:30    Kaffeepause

11:45     Werkstattgespräch WER HAT ANGST VOR SIBYLLE BERG? (D 2015)

Gäste: 

  • Böller und Brot: Sigrun Köhler und Wiltrud Baier, Filmemacherinnen

Moderation:

  • Prof. Dr. Britta Hartmann, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Professur für Filmwissenschaft und Audiovisuelle Medienkulturen

12:30     Mittagspause

13:30     Das feministische Erwachen des Dokumentarfilms - Perspektiven aus BRD und DDR 

Gäste:

  • Helke Sander, Filmemacherin und Autorin
  • Helke Misselwitz, Filmemacherin und emeritierte Prof. Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF           
  • Moderation: Johanne Hoppe, Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF

15:00     Kaffeepause

15:30     Panel: Gleichberechtigung im dokumentarischen Filmemachen - Aktuelle Perspektiven 
    
Gäste:

  • Petra Hoffmann, Filmemacherin, Vorstandsmitglied AG DOK
  • Barbara Teufel, Filmemacherin, Pro Quote Film
  • Dr. Grit Lemke, Kuratorin, Autorin und Dramaturgin

            
Moderation: 

  • Inga Selck, DFG-Projekt „Geschichte des dokumentarischen Films in Deutschland 1945-2005“, Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF

17:00            Abreise

Audiodokumentation des Symposiums

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