Montage - Möglichkeiten der unsichtbaren Kunst

Editing Gender

Projektbeginn:
2011

Die Montage, das heißt die Bearbeitung und Strukturierung des aufgenommenen Bildmaterials hin zum fertigen Film, ist ein schöpferischer Vorgang, der jedoch von der breiten Masse der ZuschauerInnen nicht als solcher wahrgenommen wird. Zu wenig weiß man über die Kunst des Filmeschneidens und ihre Wirkungsweise. Was nicht zuletzt daran liegt, dass sich eine etablierte Begrifflichkeit auf die Montagetechnik beschränkt.

Doch Filmschnitt ist mehr als Jump Cuts, Cross Cutting oder Parallelmontage. Und es bedarf nicht nur handwerklicher Fähigkeiten, technologischer Tricks und Kniffe, um aus den verschiedenen Aufnahmen, der losen Sammlung von Einstellungen einen Sinnzusammenhang, eine dramaturgisch konzipierte Kontinuität, ja ein filmisches Gesamtwerk zu schaffen. Die Ästhetik eines Films, sein komplexes Ineinander von Inhalt und Form hängt von der Montage ab. Bereits kleine Änderungen im Schnitt sind in der Lage, die Aussage, den Rhythmus und die Struktur eines Filmes deutlich zu verändern. Aus ein und demselben Bildmaterial können allein durch spezifische Auswahl und Anordnung zahlreiche Filmevariationen mit zum Teil divergierenden Aussagen entstehen. Die Kreativität der SchnittmeisterInnen trägt – in Absprache mit der Regie – entscheidend zur Dramaturgie des filmischen Produkts bei.

Ein Ziel der künstlerischen Montageforschung an der HFF ist es, das Kreative, Schöpferische an dieser Tätigkeit zu sondieren und Montage als eigenständige Kunst wahrnehmbar zu machen, indem man der Sprachlichkeit zuführt, was bislang noch weitestgehend der Intuition von SchnittmeisterInnen überlassen bleibt. Eine neue Begrifflichkeit zu finden, mit der über Montage als Kunstform gesprochen und geschrieben werden kann, versucht Susanne Foidl, künstlerische Mitarbeiterin an der HFF, im Rahmen eines Qualifizierungsprojektes. Damit möchte sie auch einen Beitrag zu einer anspruchsvollen Ästhetik liefern und eine Kritik gängiger Montagestandards formulieren.

Ihr besonderer Fokus liegt dabei auf den manipulativen Möglichkeiten der Montage. SchnittmeisterInnen konstruieren durch ihre individuelle Auswahl Bilder der Wirklichkeit oder auch Weltanschauungen und setzen diese ins Verhältnis. Ist montieren gleichbedeutend mit argumentieren innerhalb eines geschlossenes Filmwerkes, mit dessen ganz eigener Bildsprache? Um diese Frage zu beantworten und den Systemen der Bewertung, dem Ablauf überhaupt auf die Spur zu kommen, ist nicht nur das montierte Filmmaterial, sondern auch die Analyse der Haltung des Montierenden entscheidend. Ein anschauliches Beispiel ist auch in diesem Zusammenhang die Genderforschung: Inwieweit beeinflusst die Montage die Re-Produktion bzw. Konstruktion von Rollenklischees im Film? Ändert das eigene Rollenverständnis die Art zu montieren, die Art zu entscheiden – somit die Art filmisch zu argumentieren? Welche Bilder von Wirklichkeit scheinen wünschenswert und durch welche Form der Montage sind sie einlösbar? Diese Fragen werden bewusst in den Diskurs mit einbezogen.

Die gewonnen Erkenntnisse dieser Forschung sollen helfen, ein differenzierteres Bewusstsein für Filmsprachen zu entwickeln, da in der Gegenwart schon angesichts der Spielfilmfülle in Kino und TV ein normiertes Erzählen immer mehr um sich greift und Wahrnehmungskonventionen einschleift. Das eröffnet letztlich nicht nur der Filmkritik neue inhaltliche und sprachliche Möglichkeiten, sondern ist vor allem dazu angetan, geeignete individuelle Mittel und Methoden zu finden, den Studierenden die Kunst der Montage zu vermitteln. Künstlerische Filmmontage ist damit also beides: theoretisch reflektierte Praxis und praktische gewendete Theorie.